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Medientexte.

Veröffentlicht am 9. August 2012

 

ROTHENBURG – Susanne Bünter organisiert und leitet unter dem Namen «imwald» Erlebnistage in der Natur. Die Rothenburgerin ist ausgebildete Kindergärtnerin und hat sich auf Naturpädagogik spezialisiert. Was genau das ist, erläutert sie im Gespräch mit der REGION.

 

Frau Bünter, Sie organisieren Waldtage und Waldwochen für Kindergarten- und Primarschulkinder gemäss den Richtlinien der so genannten Waldpädagogik. Was muss ich mir darunter vorstellen?

Ich begleite und leite Kindergruppen in den Wald, bei jedem Wetter und in jeder Jahreszeit. Durch klare Strukturen und Rituale, wie etwa das «Waldwächterspiel» beim Waldrand oder das «Wald-Dankeslied» zum Schluss des Tages, erhalten die Kinder Sicherheit im Umgang mit der Weite und Grösse des Waldes. Geleitete Aktivitäten wechseln mit individuellen Tätigkeiten der Kinder ab. Unvorhersehbare Entdeckungen und Veränderungen im Wald und die Ideen der Kinder fordern eine grosse Flexibilität und einen reichen Erfahrungsschatz bei mir als Naturpädagogin.

 

Was war der Auslöser für Ihr naturpädagogisches Engagement?

Der Kindergartenraum, in dem ich arbeitete, war eher knapp bemessen. So führte ich für die Kindergartenkinder einen wöchentlichen Waldmorgen ein. So hatten die Kinder Platz, sich zu bewegen, zu klettern, zu spielen. Als Kind erlebte ich selber den Wald und die Natur durch die Familienferien in den Bergen sehr positiv. Das hat mich geprägt. Die Ferien auf dem Hof meiner Patin und auch die Zeit in der Pfadi trugen ebenfalls zu meiner Naturverbundenheit bei.

 

Wie lange machen Sie das schon?

Die regelmässigen Waldmorgen im Kindergarten mache ich seit 13 Jahren. Meine Tätigkeit als Naturpädagogin begann vor ca. acht Jahren. Seit 2009 intensivierte ich dies durch meine Angebote «imwald».

 

Gibt es für Naturpädagogen spezielle Ausbildungen?

Die grösste Organisation, welche Ausbildungen im Naturbereich anbietet, ist die Stiftung SILVIVA. Durch verschiedene Module kann sogar ein CAS-Abschluss gemacht werden.Weitere Ausbildungen zur NaturpädagogIn bieten auch die Genossenschaft für Naturpädagogik Feuervogel und der Verein Waldkinder St. Gallen an.

 

Was erlebt man, wenn man mit Ihnen in den Wald geht?

Viel! So, wie der Wald je nach Jahreszeit und Wetter vielfältig ist, so vielfältig sind auch die Erlebnisse. So können unter der Lupe Insekten beobachtet werden, Waldkräuteromeletten werden auf dem Feuer gebraten und gegessen, geheime Spuren und Zeichen werden entschlüsselt, Zwergengeschichten erfunden, eine tote Maus beerdigt, das Wasser im Bach gestaut, dem Klopfen des Spechtes gelauscht, gemeinsam eine Hütte gebaut, ein Kunstwerk aus Tannenzapfen gelegt.

 

Was wollen Sie mit diesen Waldtagen bei den Teilnehmenden erreichen?

Der respektvolle Umgang mit der Natur, aber auch mit sich und den anderen TeilnehmerInnen, ist mir wichtig. Im Moment ganz da zu sein und sich einlassen können auf das, was entsteht. So erhoffe ich mir, dass die Menschen im Wald viele gute Erfahrungen mit allen Sinnen machen und so gestärkt ihren Weg im Alltag gehen.

 

Was bieten Sie für welche Altersgruppen konkret an?

Für die Kleinsten gibt es einen Märchennachmittag im Wald. Die Waldmäuse für Kinder vom Kindergarten und der 1. bis 2. Klasse dauern zwischen drei bis zehn Nachmittage. Die Primarschüler geniessen vier Nachmittage mit den Waldfüchsen. Dann gibt es neu ab diesem Jahr die Waldwochen, bei denen die Kinder fünf Tag im Wald erleben, mit gemeinsamem Mittagessen, jedoch zu Hause schlafen. Tageweise geht es in den Wald zum Beispiel mit dem Förster, als Hexen oder beim Eindunkeln. Erwachsene können im Wald die Wintersonnwende feiern oder Sitzmättchen für unterwegs machen. Und es gab auch schon einen Land-Art-Tag.

 

Welche Zielgruppen möchten Sie ansprechen?

Die meisten Angebote richten sich an Kinder vom Kindergarten und der Primarschule.

 

Und wie werden sie genutzt? Wie sind die Rückmeldungen?

Die Waldmäuse-Nachmittage und die Waldfüchse-Nachmittage sind in Rothenburg schon recht bekannt und auch gut besucht. Ich freue mich sehr, dass sogar die erste Waldwoche in der letzten Sommerferienwoch bereits ausgebucht ist. Für die Waldwoche im Herbst gibt es jedoch noch einige freie Plätze. Es gab aber auch schon Angebote, die mangels TeilnehmerInnen nicht durchgeführt werden konnten.

 

Das Ziel der Natur- und Umweltpädagogik ist gemäss Richtlinien, die «Grundlagen für ökologisch sinnvolles Handeln, Verhalten und Entscheiden» zu legen. Was bedeutet das?

Für mich bedeutet dies: Alles, was man liebt, schützt man. Wenn Menschen den Wald kennenlernen, wenn sie gute Erlebnisse und Erfahrungen mit ihm verbinden, entwickelt sich eine Beziehung zum Wald. Das Bewusstsein und Verhalten dieser Menschen wird sich so nachhaltig positiv auf die Natur auswirken.

 

Kann man das bereits im Kindergarten- und Primarschulalter lernen?

Unbedingt! Die Vorbildwirkung der Naturpädagogin, des Naturpädagogen ist in diesem Alter sehr wichtig. Wie gehe ich zum Beispiel mit der Spinne um, die gerade meinen Arm erklettert oder wie geniesse ich einen erfrischenden Frühlingsregen. Meine Freude und Dankbarkeit der Natur gegenüber steht vor dem Sachwissen komplexer Zusammenhänge.

 

Ein weiterer zentraler Punkt der Naturpädagogik ist das gemeinschaftliche Erleben in der Natur. Warum? Kann ich die Natur nicht einfach für mich allein entdecken und geniessen?

In der Gemeinschaft werden viele Erlebnisse verstärkt oder überhaupt erst durch die Gruppe möglich. So können viele Menschen grössere Äste schleppen, einander helfen, einen Baum zu erklettern und sie finden insgesamt viel mehr «Waldschätze» wie etwa Insekten, Molche, Pilze, Mauselöcher … Die Spielplätze von heute sind grösstenteils steriler geworden, die Spielzeuge geben das genaue Spiel vor, Veränderung, Entdeckungen, kreatives Gestalten wird dadurch erschwert. Der Wald bietet Wurzelarbeit, damit daraus starke Menschen wachsen.

 

Christina Mattli

Steffi Heseler (l.) und Susanne Bünter auf ihrem Waldplatz. bw

 

Der Verein imwald Rothenburg bietet einen spannenden Einblick in die Natur
Der Wald bietet mehr als nur gemütliche Spaziergänge. Hier gibt es richtig viel zu erleben. Der Rothenburger Verein imwald zeigt Jung und Alt, wie wunderbar und lehrreich Erlebnisse in der Natur sind.

 

Rothenburg: Susanne Bünter und Steffi Heseler sitzen an der Feuerstelle im Rothenburger Wald. Sie atmen die frische Waldluft ein – es riecht nach Tannzapfen, Moos und Erde. Ein feines Fiepen eines Vogels dringt durch die Baumkronen. Ab und zu raschelt es im Unterholz. Und die beiden Frauen geniessen diese sinnliche Ruhe. Hinter ihnen befindet sich ein grosser, gepflegter Platz. «Das ist unser zweites Zuhause», sagt Susanne Bünter mit einem Strahlen in den Augen.

 

Das Strahlen kommt nicht von ungefähr. Die Rothenburger Kindergartenlehrerin ist gemeinsam mit Steffi Henseler und Katharina Schär im Kernteam des Vereins imwald. Der Verein bietet zahlreiche Angebote für Kinder und Erwachsene an. Und das Interesse ist riesig. Kein Wunder: Kochen über dem Feuer, Kräuter-Exkursionen, Wildbienenhaus bauen, Singen in der Natur, Schlafen im Wald, Waldwochen für Kinder? die Liste der Angebote ist lang. «Das Schönste ist, dass wir immer wieder kreativ sein können, eigene Ideen einbringen und auch selbst immer wieder dazulernen», sagt Steffi Henseler. «Dass die Menschen unsere Angebote so rege nutzen, zeigt, wie wichtig der Bezug zur Natur ist.»

 

Gerade im heutigen Zeitalter sei es Gold wert, in der Natur zur Ruhe zu kommen, sind sich die beiden Frauen einig. «Die Digitalisierung ist etwas Gutes. Aber sie fordert einen Ausgleich zum hektischen Alltag, zum Arbeiten am Bildschirm, zum anhaltenden Leistungsdruck», so Susanne Bünter. «Der Wald ist der perfekte Ort, um Durchatmen zu können und den Boden unter den Füssen zu spüren.»

 

Wundersame Erlebnisse

Die drei Frauen aus dem Kernteam haben sich in den letzten Jahren ein grosses Stammpublikum aufgebaut und können dank grossartigen Mithelfer:innen und einem perfekten Netzwerk in der Gemeinde mit ihren Angeboten aus dem Vollen schöpfen. So gibt es beispielsweise die Möglichkeit, mit einer Gruppe im Wald zu übernachten. «Das sind immer ganz besondere Erlebnisse», sagt Steffi Henseler. «Wir bauen aus Blachen und Seilen kleine Zelte und so kann jeder in seinem selbst konstruierten Gemach in der freien Natur schlafen.» Besonders schön seien die Abende, wo man gemeinsam am Feuer sitzt und über Gott und die Welt spricht. «Am Morgen treffen wir uns zum Frühstück und diskutieren darüber, wie wir die Nacht erlebt haben.»

Auch das Kochen über dem Feuer sei immer wieder interessant für die Teilnehmer:innen. «Wir zeigen Tricks, wie man perfekte Gerichte ohne Herdplatte zubereiten kann. Das hat schon viele Leute fasziniert», so Henseler. So lernt man das Kochen von Wildpflanzen mit einem Topf auf dem Feuer, das Kochen direkt in der Glut und das Backen in einem selbstgebauten Steinofen.

Sehr beliebt bei Kindern sind die Waldwochen, wo die Naturpädagog:innen mit den Kindern fünf Tage lang bei jedem Wetter im Wald sind. Die Gemeinschaft in der Gruppe, das gemeinsame Erleben, Spielen, Lachen und Entdecken ist eine Bereicherung für jedes Kinderherz.

 

«Die beste Entscheidung»

«Die Ausbildung zur Naturpädagogin war die beste Entscheidung meines Lebens», sagt Steffi Henseler. Sie blühe völlig auf in ihrer Arbeit. Erst war sie nur Praktikantin beim Verein imwald. Doch als Susanne Bünter sie fragte, ob sie ein Kernteam-Mitglied sein wolle, konnte sie ihr Glück kaum fassen. «Das ist eine so tolle Chance für mich, in einem etablierten Verein, wo alle Materialen, ein wunderschöner Platz und ein begeistertes Stammpublikum vorhanden sind, mitmachen zu dürfen», schwärmt sie. Ihre Freude ist ihr deutlich anzusehen. Und genau diese Freude nimmt sie mit, wenn sie sich auf den Weg in den Wald macht. «Ich bin Susanne Bünter dankbar dafür, was sie mir in der Ausbildung alles beigebracht hat», betont sie. «Du hast mir viel Wertvolles mitgegeben», sagt sie zu Susanne, die verlegen lacht. «Und jetzt bin ich sehr froh, dass Du im Kernteam mit dabei bist», erwidert sie.

 

Der Wald als Lebensschule
Die Naturpädagogik basiert auf der Idee, dass die Natur uns alle wesentlichen Grundlagen bietet, Dinge für’s Leben zu lernen. Dass wir keine vorgefertigten Materialien brauchen, um den Geheimnissen des Lebens auf die Spur zu kommen. Hier können sich Kinder – und auch Erwachsene – weiterbilden. «Ich wünschte mir, mehr Lehrpersonen würden mit den Schüler:innen in den Wald gehen. Würde es nach mir gehen, wäre das ein Obligatorium», sagt Susanne Bünter.

Dass das Interesse da ist, zeigen die Teilnehmerzahlen der Angebote. Die Aktivitäten im Wald sind feste Programmpunkte im Veranstaltungskalender in Rothenburg. Kaum ein Kind aus der Region hat den wunderbaren, grossen Platz noch nicht besucht, wo Steffi Henseler und Susanne Bünter jetzt sitzen. Sie diskutieren eifrig über das grosse Sommerfest, das am Wochenende ansteht: «Wir freuen uns riesig darauf, dass viele Menschen vorbeikommen und mit uns die Schönheit des Waldes geniessen.»


Bettina Wyss, Luzerner Rundschau

TV Beitrag.